Die Patientinnen und Patienten der Erlanger Heil- und Pflegeanstalt waren zwar hinter hohen Anstaltsmauern versteckt. Der folgende Fall von Frau F. steht stellvertretend für die zahlreichen Situationen, in denen Menschen der Stadtgesellschaft jedoch bewusst oder unbewusst mit den Patientinnen und Patienten und ihren Schicksalen in Berührung kamen, und zeigt so, dass die Behauptung, niemand hätte etwas von den verübten Medizinverbrechen gewusst, nicht tragbar ist.
Am 18. Juni 1930 nachmittags erschienen auf der Polizeihauptwache in Erlangen drei Frauen, die alle in demselben Haus wohnten, und gaben an, eine ihrer Hausmitbewohnerinnen trage sich mit Selbstmordgedanken. Sie befürchteten, sie könnte das Haus in Brand stecken. Die angezeigte Frau F. sei schon mehrmals in der Heil- und Pflegeanstalt untergebracht gewesen und leide unter Wahnideen. Da sich der Ehemann nicht um sie kümmere, müsse die Polizei einschreiten. Die Polizei nahm daraufhin Kontakt zu einem Oberarzt der Heil- und Pflegeanstalt auf und nach Darlegung des Sachverhalts ordnete dieser die Unterbringung in der Anstalt an. Da eine dauerhafte Einweisung nur mit einem entsprechenden amtsärztlichen Gutachten und einem darauffolgenden Beschluss des Stadtrats möglich war, wurde Frau F. vom Amtsarzt eingehend untersucht und ein entsprechendes Gutachten erstellt. Es folgten unterschiedlich lange Aufenthalte der Patientin in der Heil- und Pflegeanstalt. Dabei wurde jede Entlassung und auch jede Wiederaufnahme an den Stadtrat gemeldet. 1934 wurde Frau F. entmündigt.