Durch umfangreiche Forschungen der letzten Jahrzehnte kann inzwischen als gesichert gelten, dass im Zuge der NS-„Euthanasie“ in Erlangen und der damit verbundenen „Aktion-T4“ 908 Patienten der Erlanger Heil- und Pflegeanstalt in die Tötungsanstalten Pirna/Sonnenstein und Hartheim bei Linz deportiert und dort vergast wurden. Auch, dass es neben dieser zentralen Phase der „Euthanasie“ eine zweite, dezentral organisierte Phase gab, die mit dem „Hungerkost-Erlass“ des Bayerischen Staatsministers des Inneren vom 30. November 1942 angeordnet worden war, ist inzwischen bekannt.
Immer noch unklar ist, wie viele Patienten der Heil- und Pflegeanstalt Erlangen der sogenannten „B-Kost“ zum Opfer fielen. Das liegt nicht zuletzt daran, dass sich die Suche nach stichhaltigen Belegen für diese fett- und fleischfreie Kost in den Krankenakten als schwierig erweist. Bisher konnte nur in wenigen Akten ein expliziter Vermerk zur „B-Kost“ gefunden werden. Und auch das im Prozess gegen den Direktor der Heil- und Pflegeanstalt, Wilhelm Einsle, erwähnte Totenbuch, in welchem laut Zeugenaussagen ein entsprechender Vermerk bei den verstorbenen Patienten vorgenommen worden sein soll, gilt als verschollen. Aus diesem Grund müssen die Krankenakten auf Verdachtsmomente geprüft werden, die auf Mangelversorgung schließen lassen. Ein solcher Anhaltspunkt wäre etwa eine beiliegende Wiegekarte, deren Verlauf einen rapiden Gewichtsverlust zeigt. Auch Hinweise auf den zunehmenden körperlichen Verfall, eine starke Abmagerung sowie das Auftreten von typischen Begleitsymptomen der Hungerkrankheit, die Arbeitsunfähigkeit der betreffenden Personen, eine zunehmend abwertende Sprache des Pflegepersonals ihnen gegenüber oder der „plötzliche“ Tod an Herzversagen oder Lungenentzündung wären als Indizien anzusehen. Anhand dieser Kriterien lassen sich diejenigen Patienten ermitteln, die zumindest mit hoher Wahrscheinlichkeit an Hunger und gezielter Vernachlässigung starben.